Was bedeutet „Aufklärung“ im 21. Jahrhundert?
„Aufklärung im 21. Jahrhundert“? – Manch einer mag zuerst einmal fragen, wie „Aufklärung“ in diesem Zusammenhang zu verstehen ist. Nicht gemeint sind hier Aufklärung über Sexualität, Verbrechen, Staats- oder Wirtschaftsspionage oder dergleichen, sondern „Aufklärung“ als Epoche der europäischen Geistesgeschichte. Diese erstreckt sich ungefähr über das 17. und 18. Jahrhundert und fand besondere Bedeutsamkeit in der Philosophie, wo sie beispielsweise mit Namen wie Immanuel Kant, John Locke und Voltaire verbunden wird. Ich möchte an dieser Stelle dazu nicht weiter in die Tiefe gehen, sondern verweise nur noch besonders auf Kants „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ (Deutsches Textarchiv – DTA, Volltext) – Um diesen Begriff von „Aufklärung“ soll es hier gehen.
Aufklärung heute … Warum ?
Manch einer mag nun sagen: Warum sollen wir uns mit einer vergangenen Epoche und ihren Philosophen beschäftigen? – Eben das ist eine gute Frage, auf die ich hier eingehen will.
Es ist unstrittig, dass diese Epoche viele bedeutsame Dinge hervorgebracht hat, die maßgeblich sind für unser Demokratieverständnis, etwa den Gedanken der Gewaltenteilung, Menschen- und Bürgerrechte und persönliche Freiheiten. Vieles, was damals ersonnen wurde, findet sich heute in den Gesetzen und Verfassungen der gesamten westlichen Welt wieder. Seit langer Zeit nehmen wir diese Freiheiten als selbstverständlich hin. Genau darin aber liegt eine Gefahr, denn wir werden unaufmerksam und trotz ihres Alters sind die Freiheiten ständig bedroht! – Es bedarf stets aufmerksamer Menschen und Bürger, die für die Verletzlichkeit der Freiheiten und Rechte sensibel und bereit sind, für ihren Erhalt einzutreten.
Warum sind die Freiheiten und Rechte bedroht ?
Ich sehe für eine akute Bedrohung unserer Freiheiten und Rechte im Prinzip zwei Wurzeln.
Alte Gegner der Aufkläung: Im Namen der inneren Sicherheit
Zum einen gibt es alte Vorurteile, die wieder an Aktualität gewonnen haben. Ich erinnere daran, dass die Freiheitsrechte gegen Herrscher erstritten wurden, die sich selbst als über dem Gesetz stehend sahen. Manche leiteten ihren Herrschaftsanspruch sogar biblisch von Adam und Evas Herrschaft über die Welt ab.
In unserer heutigen Zeit sind es andere Akteure, die in diese Rolle schlüpfen: es sind die Regierungen und Geheimdienste und sie bedienen sich neuester Techniken. Oft begründen sie ihren Anspruch, sich über geltendes Recht stellen zu müssen, aus einer vorgeblichen Notwendigkeit, weil sie die innere Sicherheit nicht anders aufrecht erhalten könnten. Nicht selten ist die Beseitigung der bürgerlichen Rechte dann der Auftakt zu hemmungsloser Gesinnungsschnüffelei und einem blinden Aktionismus, die beide jenseits jeglichen berechtigten Anspruchs stehen.
Neue Gegner der Aufkläung: Mit Blick auf Gewinnstreben
Vielleicht muß man sogar weltweit agierende Gesellschaften als neue Bedrohung hinzurechnen. Sie werden durch ihr Gewinnstreben angetrieben und fordern unter der falschen Flagge des Liberalismus ganz egoistisch jede Handlungsfreiheit für sich, während sie gleichzeitig über die Menschen- und Bürgerrechte anderer hinweggehen. Die Beispiele für katastrophale Folgen ihres Handelns häufen sich.
Wir werden ständig prüfen müssen, wie wir unsere Freiheiten und Rechte effektiv und konsequent gegenüber den neuen Methoden der Unterdrückung verteidigen können.
Herausforderung Globalisierung
Die andere Wurzel der Bedrohung rührt daher, dass die Aufklärung tatsächlich in erster Linie ein europäisches Phänomen war. Bis heute sind die Gedanken dieser Zeit in ferneren Ländern unbekannt. Im Zuge der Globalisierung haben sich allerdings die Aufmerksamkeit für gesellschaftliche Verhältnisse und auch das politische Handeln auf die globale Ebene verschoben. Nachrichten aus den entferntesten Winkeln der Welt erreichen uns heute ebenso schnell, wie Nachrichten von uns diese Winkel erreichen.
Die Gedanken der Aufklärung sind nicht kulturrelativistisch zu sehen, sondern in der Vernunft verankert und so für jedermann nachvollziehbar und frei von gedanklichen Beschränkungen. Die Gedanken der Aufklärung sind universell und auch die Menschen in fernen Ländern müssen lernen, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen, sich nicht bevormunden zu lassen und die Tyrannen zu entmachten.
Aufklärung: Selbstbestimmung statt Zensur und Bevormundung
Schon seit der ersten Verbreitung aufklärerischer Gedanken wurden sie als eine Bedrohung bestehender tyrannischer Herrschaftsverhältnisse erkannt. Daher wird ihrer Verbreitung gerne mit Zensur begegnet, sei es durch Religionsgemeinschaften wie der katholischen Kirche oder auch durch tyrannische Staaten. Diese Organisationen haben bedingt durch ihr Herrschaftsstreben kein Interesse an Menschen, die ihren Weg selbst bestimmen, statt sich an der Nase führen zu lassen wie dumme Ochsen. Sie wollen allen vorschreiben, was gut und richtig ist und getan werden soll. Menschen, die sich ihres eigenen Verstandes bedienen und gelernt haben, ihren eigenen Kopf effizient zu benutzen, hinterfragen solche Vorgaben.
Fackel – ein häufiges Symbol der Aufklärung
Was bedeutet das jetzt für uns ?
In diesem Sinne gibt es Gegner der Aufklärung sowohl in der westlichen Welt wie auch außerhalb. Selbständig denkende Menschen sind vielleicht nicht immer aufmerksam genug für die Gefahren für ihre Freiheit, doch appeliere ich an sie: Bleibt wachsam! – Die Aufklärung wurde nicht vor Jahrhunderten für alle Ewigkeit erstritten, sondern bedarf beständiger Aufmerksamkeit, damit sie uns erhalten bleibt. Habt weiterhin den Mut, Euch Eures Verstandes zu bedienen, und tretet dafür ein, die Freiheiten als Grundlage des eigenen Verstandesgebrauchs zu erhalten. Wir haben das Recht und die Pflicht, das Geschehen im Blick zu behalten und es jederzeit kritisch zu begleiten. Gleichzeitig hat keine Organisation das Recht, umgekehrt das Denken der Menschen zu überwachen oder sie einzuschüchtern.